Verkehrspolitik

Das Auto ist Herrn und Frau Aargauers liebstes Verkehrsmittel, und der Kanton unternimmt mit einer nachfrageorientierten Verkehrspolitik alles, damit es so bleibt. Manche Strassenprojekte sind so offensichtlich nutzlos, dass der Verdacht aufkommt, es gehe nur um die Bedienung der Interessen von Strassenlobby und Bauwirtschaft.

Das Strassennetz des Kantons Aargau zählt zu den dichtesten der Welt, der Motorisierungsgrad ist deutlich höher als im Schweizer Durchschnitt. Nirgendwo sonst wird mehr mit dem Auto gependelt. Für den Ausbau des Kantonsstrassennetzes gibt der Aargau pro Jahr rund 150 Millionen Franken aus, so viel wie kein anderer Kanton. Der «Autokanton Aargau» ist mehr als ein Klischee. «Warum wohnen Sie in Frick?» – «Wegen des Autobahnanschlusses!» 

Der Aargau betreibt eine sehr einseitige Verkehrspolitik, die sich überwiegend am prognostizierten Wachstum des Autoverkehrs orientiert. Sie führt in drei Schritten zum stetigen Strassenausbau: 

  • Es wird eine Prognose der zukünftigen Verkehrsentwicklung gemacht, der das aktuelle Wachstum des Autoverkehrs zugrunde liegt.
  • Aufgrund dieser Prognose plant der Kanton den Ausbau des Strassennetzes.
  • Die neu bereitgestellten Kapazitäten ermöglichen weiteres Verkehrswachstum, das der nächsten Prognose zugrunde liegt, welche wiederum Ausbauten nach sich zieht.
Strassenkasse
Standortfaktoren
Strassenkasse
Standortfaktoren

Auch für alle im Verkehrssystem auftretenden Störungen ist das Heilmittel regelmässig das Gleiche: Kapazitätserweiterungen. Gibt es irgendwo Stau, muss die bestehende Strasse ausgebaut werden, oder es muss ein Bypass her («Engpassbeseitigung»). Fühlen sich die Anwohner:innen durch den Verkehr gestört, braucht es eine Umfahrung («Entlastung»). Fühlt sich eine Region wirtschaftlich benachteiligt, muss mit einer neuen Strasse ihre «Erreichbarkeit» verbessert werden («Verkehrspolitik ist Wirtschaftspolitik»).

Dabei funktioniert das alles höchstens kurzfristig: Die neu geschaffene Strassenkapazität füllt sich in kurzer Zeit wieder auf, die Umfahrung führt zu Mehrverkehr in benachbarten Ortschaften, der Stau verschiebt sich zum nächsten Nadelöhr. Schon bald kommt von dort der Ruf nach einer neuen Umfahrung. Und was die Wirtschaftsförderung anbelangt, zeigen Studien aus unverdächtiger Quelle: Bezüglich der Erreichbarkeit ist der Aargau schon heute Spitze. Es bringt uns nichts, in diesem Punkt noch besser zu werden. Eher müssten wir das Geld in die Bildung investieren. (vgl.  Grafik Standortfaktoren). 

Aber es ist noch schlimmer: Viele der Neubauprojekte machen nicht einmal aus einer kurzfristigen, autoorientierten Optik Sinn. Es stellt sich unweigerlich der Eindruck ein, die verkehrsplanerischen Argumente seien nur vorgeschoben, und es gehe eigentlich darum, Partikulärinteressen zu bedienen – beispielsweise um die Erschliessung von attraktiven Siedlungsgebieten. Denn Gemeinden, Landbesitzer:innen und die Immobilienbranche profitieren von einem hohen Bevölkerungs- und Siedlungswachstum, das gute Steuerzahler:innen, zahlungskräftige Mieter:innen und Hauskäufer:innen und erhöhte Nachfrage nach Bauland bringt. Darüber hinaus profitieren vor allem auch die Strassenbauindustrie, indem sie das für sie reservierte Geld aus der Strassenkasse abholen können (vgl. Kasten Strassenkasse).

Daraus ergibt sich ein erschreckender Befund: Die Aargauer Verkehrspolitik ist nicht von verkehrsplanerischen Überlegungen, sondern von Einzelinteressen gesteuert.

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